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Schriftsatz BK 2108


Hessisches Landessozialgericht
Steubenplatz 14
64293 Darmstadt
per Telefax: 06151 804-350

23.08.16

In dem Rechtsstreit

………….

g e g e n

BG……

Az.: L 9 U 99/10

wird zum Schriftsatz der Gegenseite bzw. zu den bereits vorgetragenen Argumenten noch einmal Stellung genommen.

Es besteht Übereinstimmung, dass die Konsensempfehlungen zu berücksichtigen sind. Dabei ist weiter zu beachten, dass die Konsensempfehlungen den kleinsten gemeinsamen Nenner zwischen den Befürwortern und den Gegnern der BK 2108 wiedergeben. Dementsprechend sind die Kriterien, die tatsächlich zu einer Anerkennung führen, sehr eng gefasst, sonst wäre 2004/2005 kein Konsens zustanden gekommen. Im Rahmen der Potsdamer BK Tage sind die Konsensempfehlungen mit den beteiligten Ärzten und Sachverständigen intensiv diskutiert worden. Die Befürworter der BK 2108 haben dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es noch sehr viel mehr Möglichkeiten gegeben hätte zu einer Anerkennung zu kommen. Dies sei aber nicht konsensfähig gewesen. Grosser, der von der Beklagten zitiert wird, war einer der schärfsten Kritiker der BK 2108 überhaupt, was kein Geheimnis ist, aber an dieser Stelle doch noch einmal ausdrücklich festgestellt werden soll.

Zu den sogenannten allgemeinen Erwägungen lässt sich sagen, dass der Gesetzgeber, bzw. das Ministerium die BK 2108 als Berufskrankheit in die Liste aufgenommen hat. Es ist die Aufgabe der Beklagten, diesen Willen umzusetzen und nicht durch Interpretationen ein Hintertürchen zu suchen, um doch nicht leisten zu müssen.

Ausgangspunkt der Betrachtungen ist schließlich der Widerspruchsbescheid vom 15.07.2003. Dort ist nach der damals üblichen Berechnung das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen verneint worden, während die medizinischen Voraussetzungen vorlagen.

Im Laufe des weiteren Verfahrens ist festgestellt worden, dass die Berechnungen unvollständig waren. Die ergänzenden Feststellungen haben einen erheblich höheren Wert ergeben, als nach der alten und der neuen Berechnung erforderlich ist. Daher stellt sich die Frage, ob die Werte zugrunde zu legen sind, die vor der BSG-Rechtsprechung angenommen wurden oder die Werte, die sich nach der BSG-Rechtsprechung ergeben haben nicht.

Die medizinischen Voraussetzungen lagen im damaligen Widerspruchsverfahren 2003 vor, was immer wieder übersehen wird. Wenn auf die Konsensempfehlungen Bezug genommen wird, dann bitte auf die Originalveröffentlichung aus dem Jahr 2005, ohne die zusätzlichen Interpretationen, die speziell die Beratungsärzte der Berufsgenossenschaften entwickelt haben, um doch noch zu einem ungünstigen Ergebnis für die Betroffenen kommen zu können.

Zudem muss auch noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass der Mandant am 08.10.1955 geboren ist. Die OP L5/S1 fand 1998 statt. Der Mandant war 43 Jahre alt. Der Widerspruchsbescheid erging erst 2003, als der Mandant 48 Jahre alt war. Bei der zuletzt nachgewiesenen beruflichen Belastung bei einem Alter von 43 Jahren muss von einem altersuntypischen Befund ausgegangen werden. Es muss daher immer der Fall geprüft werden beim Vorliegen einer Berufskrankheit, als das 45. Lebensjahr noch nicht überschritten war.

Die Sachverständigen, die zu einem positiven Ergebnis gekommen sind, haben sich nicht völlig von den allgemeinen Gesichtspunkten und Kriterien der Konsensempfehlungen gelöst. Im Gegenteil: Dr. F. hat als Mitautor der Konsensempfehlungen besondere Kenntnisse über deren Inhalt. Bei dem für den Beklagten so relevanten altersunüblichen Verschleiß sollte auch noch mal in Erinnerung gerufen werden, dass der Gutachter der Beklagten in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 20.08.2001 den Vollbeweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule bereits festgestellt hatte. Es bestanden belastungsadaptive Veränderungen der Lendenwirbelsäule sowie Protrusionen der Bandscheiben L2/3, L3/4 und ein Bandscheibenvorfall L5/S1. Zum Zeitpunkt der Operation hatte der Kläger das 45. Lebensjahr noch nicht erreicht. Während der Begutachtung durch Dr. M. war er 45 Jahre alt mit einer Wirbelsäulendiagnose, die im Hinblick auf die BK 2108 „keine Wünsche offen“ lässt. Im Auftrag des Sozialgerichts hat schließlich Dr. F. unter Berücksichtigung der Konsensempfehlungen 2005 (Seite 5 des Urteils) die Konstellation B2 bejaht. Schließlich hat sich das Gericht der 1. Instanz bezüglich der Frage des belastungskonformen Schadensbildes den Ausführungen von Dr. F. angeschlossen, unter Bezugnahme auf die Konsensempfehlungen. Ausweislich der MRT vom 01.07.1999 lag eine die Altersnorm überschreitende Bandscheibendegeneration bei L4/S1 vor und es gab an zwei weiteren Bandscheiben Binnensignalerniedrigungen, Dehydrierungen oder sogenannte „Black discs“. Diesen Ausführungen hat auch der jetzige Schriftsatz nicht wirklich etwas entgegenzusetzen.

Der Kläger hat sich hinreichend mit der Frage der „Black disc“ auseinandergesetzt. Speziell die Privatmeinung von G. a.a.O., n.w.N. ist hier nicht ausschlaggebend. Die Meinung eines einzelnen Beratungsarztes, so laut sie auch verkündet wird, darf nicht den Konsens der ganzen Gruppe übertönen. Schließlich kommt es nicht auf die entsprechende Höhenminderung im Segment L4/L5 an, sondern auf das Gesamtbild. Die Konsensempfehlungen geben keine Vorgabe, wo die „Black discs“ sein müssen. Schließlich ergeben die Schaubilder, die auf den verschiedenen Seminaren zu sehen sind, dass die Bandscheiben im unteren LWS-Bereich grundsätzlich unterschiedlich stark beeinträchtigt werden. Nach dem Gutachten von Dr. F. war auch bereits 1999 eine altersuntypische Veränderung gegeben. Mit der Klassifizierung der „Black disc“ setzt sich Prof. Dr. D. ab Seite 20 seines Gutachtens auseinander. Unter Berücksichtigung der MRT-Aufnahmen aus dem Jahr 1999 kommt er zu mehreren Grad 3, eher Grad 4-Bewertungen, was nicht als geringe Dehydrierung angesehen werden kann, vorausgesetzt, dass dies überhaupt eine Rolle spielen würde, was diesseits bestritten wird. Auch dazu wird auf die Ausführungen von Prof. Dr. D. bzw. Dr. F. Bezug genommen. Schließlich wird weiter ausgeführt, dass der bei dem Kläger vorgefundene Befund sich sehr gut durch eine mechanische Mehrbelastung erklären lässt, während bei einem reinen Alterungsprozess eher eine uniforme Signalminderung der Bandscheiben zu erwarten wäre. Der Vergleich mit den Aufnahmen aus dem Jahr 2009 ergibt eine logische Fortschreitung. Dabei gibt es auch den Hinweis, dass ein fortschreitender Degenerationsprozess trotz Aufgabe der Tätigkeit nicht gegen eine beruflich bedingte Schädigung der Bandscheiben spricht, da bei vorgeschädigter Bandscheibe eine akzelerierte Degeneration im Rahmen des natürlichen Alterungsprozesses zu erwarten ist. Schließlich muss auch keine feste Reihenfolge eingehalten werden und es müssen nicht alle Bandscheiben mit gleicher Intensität belastet sein. Auch dies ergibt sich noch einmal ausdrücklich aus dem Gutachten. Der Verweis auf den Befund 2009 ist nur vergleichsweise herangezogen worden. Auch ohne diese Information war 1999 ein ausreichendes Schadensbild gegeben. Wesentlich ist, dass die Befunde 1999 und früher von den Gutachtern als altersunüblich und wesentlich angesehen wurden. Schließlich müsste auch nachvollziehbar sein, dass eine durch Arbeit massiv geschädigte Lendenwirbelsäule bei Aufgabe der beruflichen Tätigkeit nicht wieder, wie durch Zauberhand, in eine intakte Wirbelsäule verwandelt wird. Wahrscheinlicher ist, dass die Umbauprozesse, die durch die schwere körperliche Arbeit in Gang gesetzt wurden, weiter gehen und auch ohne Belastung der Schaden bleibt bzw. progredient schlimmer wird.

Der Beweisantrag 1 aus dem Schreiben vom 26.05.2015 lautet wie folgt: „Die Berufungsklägerin beantragt insoweit hilfsweise zu II a bis II d ergänzend Beweis zu erheben. Ein weiteres Sachverständigen-Gutachten wird zeigen, dass das Gutachten von Prof. Dr. D. und damit das von Herrn Dr. F. in Bezug auf die dargelegten Details nicht dem aktuellen medizinischen Kenntnisstand und der herrschenden Lehrmeinung entspricht“. Schließlich soll ergänzend noch festgestellt werden, dass die Bewertungen durch Prof. Dr. D. und Dr. F. nicht den dargelegten allgemeinen Erwägungen der Konsensempfehlungen – unabhängig von der Zuordnung zu einer Konstellation – Rechnung tragen.

Die Konsensempfehlungen sind keine mathematische Gleichung, die eins zu eins aufgehen muss. Sie können immer nur im Rahmen der Begutachtung des Einzelfalles angewandt werden. Dieser Aufgabe sind beide Gutachter gerecht geworden. Schließlich ist auch der Gutachter der Beklagten auch ohne Konsensempfehlungen schon zu einer entsprechenden Bewertung gekommen. Der Beweisantrag ist nicht bestimmt genug. Sollte die Gegenseite der Auffassung sein, Grosser sei der „aktuelle medizinische Kenntnisstand“, dann ist er auf jeden Fall nicht die herrschende Lehrmeinung, sondern nur eine Einzelmeinung, die auf Bestellung geschrieben wurde.

Der zweite Beweisantrag lautet: „In einem weiteren arbeitsmedizinischen und gegebenenfalls ergänzend orthopädischen Gutachten ist zu klären, welche Dosis als besonders intensive Belastung im Sinne eines Zusatzkriteriums B2 zu berücksichtigen ist bzw. ob die Belastung des Klägers nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand als solches positives Kriterium gewertet werden kann“.

Dieser Beweisantrag kann eigentlich nur hilfsweise gestellt werden, da die „Black Disc“ bereits vorliegt und dementsprechend das alternativ erforderliche Kriterium keine Rolle mehr spielt.

Zu den ganzen Überlegungen der Beklagten muss noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass die Berufskrankheit vor dem 45. Lebensjahr festgestellt worden ist. In der Berufung auf 1.4: Zusammenhangsbeurteilung, die sich der Beklagte zu eigen macht, ist beim letzten Spiegelstrich Folgendes zu lesen: „Bei monosegmentaler Chondrose im Röntgenbild ohne Begleitspondylose sprechen Plausibilitätsüberlegungen bei fehlenden magnetresonanztomographischen Begleitbefunden in anderen Segmenten („Black disc“) eher gegen das Vorliegen einer Berufskrankheit, wenn das 45. Lebensjahr überschritten ist“.

Im Umkehrschluss ist bei einer monosegmentalen Chondrose, die sicher festgestellt ist mit Begleitbefunden in anderen Segmenten, hier mindestens zwei, von dem Vorliegen einer Berufskrankheit auszugehen, weil der Kläger bei der Befundung das 45. Lebensjahr noch nicht erreicht hatte. Damit weicht der Befund, anders als die Gegenseite behauptet, nicht von den Vorgaben ab.

Das Vorbringen der Beklagten ist nicht erheblich. Es stützt sich weitgehend auf die Einzelmeinung von einem Beratungsarzt, dessen Auffassung in den Konsensempfehlungen keine Stütze findet. Die gestellten Beweisanträge sind unqualifiziert und nicht wirklich aussagefähig. Sie genügen nicht den Anforderungen, die an einen Beweisantrag zu stellen sind.

Wesentliches Kriterium für das Vorliegen einer BK 2108 ist auch die Tatsache, dass an den übrigen Wirbelsäulenabschnitten, insbesondere auch im HWS-Bereich, überhaupt keine, gar keine, die Altersnorm überschreitenden degenerativen Erkrankungen festgestellt worden sind. Bei einer Mehrzahl der Fälle ist gerade dies ein besonders gravierender Ausschlusstatbestand. Daher kommt dem tatsächlichen Fehlen sonstiger degenerativer Veränderungen im Jahr 1999 eine ganz erhebliche Bedeutung zu. Schließlich stellt Dr. F. auf Seite 14 seines Gutachtens fest, dass mit 26,6 MNh die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind, die vor der neuen Rechtsprechung des BSG galten. Auf Seite 13 bleibt lediglich offen, ob die ebenfalls vorhandene Wirbelbogengelenkarthrose, die nicht nur am Bandscheibenvorfall betroffenen Bewegungssegment L5/S1 vorhanden ist, sondern auch in Höhe der nicht vorgefallenen Zwischenwirbelscheibe L4/L5 unmittelbar auf die berufliche Belastung zurückzuführen ist. Ein Ausschlusskriterium für die BK 2108 ist dies nicht. Im Gegenteil: Wäre die Wirbelbogengelenkarthrose oder Spondylarthrose eindeutig der beruflichen Belastung zuzuordnen, wäre die eindeutige Konstellation B1 gegeben. Da dies nicht so eindeutig ist, ist mindestens auf jeden Fall die Konstellation B2 gegeben.

Die Schlussfolgerung der Beklagten ist in diesem Punkt unzutreffend. Schließlich wird auch im Gutachten ab Seite 14 auch noch mal ausführlich zu den Belastungen und dem Krankheitsbeginn Stellung genommen. Auch Dr. F. nimmt Bezug auf das Ergebnis der Stellungnahme des Beratungsarztes der Beklagten, Dr. M., vom 20.08.2001. Dementsprechend sind die Prüfungen nach unterschiedlichen Kriterien zum gleichen Ergebnis gekommen. Die Bedenken der Beklagten sind daher nicht nachvollziehbar. Schließlich sollte auch noch einmal betont werden, dass Berufsgenossenschaften grundsätzlich dafür zuständig sind, arbeitsplatzbedingte Erkrankungen zu regulieren. Es ist nicht ihre Aufgabe, alle Ansprüche, egal wie berechtigt sie sind, abzuwürgen und im Keim zu ersticken. Diese Verfahrensweise wird dem Leid und dem Schicksal der betroffenen Menschen nicht gerecht. Schließlich muss auch noch einmal betont werden, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit bei dem Kläger bereits am 29.06.1998 begonnen hat. Ohne die sehr schwere körperliche Arbeit, die er speziell im Schrotthandel täglich verrichtet hat, wäre es so früh zu diesem Krankheitsbild nicht gekommen. Schließlich nimmt der Gutachter Dr. F. auf Seite 21 auch noch einmal zu den allgemeinen Kriterien Stellung, die mit den Konsensempfehlungen einhergehen.

Es wird gebeten, antragsgemäß zu entscheiden und die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Vorsorglich wird angeregt, eine ergänzende Stellungnahme bei Prof. Dr. D. einzuholen.



Ingrid Claas
Rechtsanwältin

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